Laut Anwerbevertrag waren die deutschen Arbeitgeber verpflichtet, den angeworbenen Italienern angemessene Unterkünfte bereit zu stellen. Was allerdings „angemessen“ heißt, war nicht weiter definiert. Die Zustände in den Unterkünften waren immer wieder Anlass für Beschwerden sowohl der Arbeiter selber als auch der kirchlichen und sozialen Betreuungsorganisationen. Sie bemängelten zu hohe Zimmerbelegung, schlechte Einrichtungen und miserable sanitäre Ausstattung.
Die angeworbenen Italiener kamen Mitte der 1950er Jahre in das noch immer vom Krieg gezeichnete Ruhrgebiet. Bei Kriegsende war die Wohnbebauung in vielen Ruhrgebietsstädten zu 60-70 % zerstört. Trotz der Wiederaufbaumaßnahmen war Mitte der 1950er Jahre der Wohnraum noch immer knapp, die Konkurrenz war groß:
„[...] Für die Unterbringung werden die deutschen Betriebe verantwortlich sein. „Wir wollen aber nicht“, sagte Sauerborn, „daß die neugebauten Wohnungen für Flüchtlinge und Ausgebombte jetzt von Italienern in Anspruch genommen werden und die deutschen Geschädigten daneben stehen.“ [...]“

Keine Italiener für den Bergbau

Ruhr-Nachrichten vom 21.12.1955

Die Italiener waren häufig in Wohnlagern untergebracht. Üblicherweise hatten diese bereits eine bewegte Geschichte: als Zwangsarbeiterlager, als Unterkünfte für Flüchtlinge und Vertriebene und dann für die Italiener und später für andere ausländische Arbeiter. Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung, die für die Anwerbung der Italiener zuständig war, musste auf die massiven Mängel in den Unterkünften reagieren. 1960 stellte sie 100 Mio. DM für den Bau von Ausländerwohnheimen in der Bundesrepublik zur Verfügung. Die finanziellen Hilfen wurden an bestimmte Richtlinien geknüpft, die Bauart und Standort, Grundstück und Baulage sowie die angemessene Ausstattung der Unterkünfte betrafen. Aber erst vier Jahre später erließ die Bundesanstalt verbindliche Richtlinien für die Unterkünfte italienischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland, deren Einhaltung von den Arbeitsämtern vor Ort kontrolliert wurde.
In den Wohnheimen aßen die Italiener meistens in der Kantine. Vollverpflegung und Miete wurden direkt vom Lohn abgezogen. Teilweise gab es auch Kochstellen, so dass die Arbeiter sich ihr Essen selbst zubereiten konnten. Die Selbstversorgung wurde vor allem von denjenigen genutzt, die besonders sparsam leben wollten, um möglichst viel von ihrem Lohn am Ende des Monats nach Italien zu ihrer Familie schicken zu können. Zudem boten die eigenen Kochkünste eine willkommene Alternative für diejenigen, die sich nicht so schnell an das deutsche Essen gewöhnen konnten. Aber ebenso wie viele Italiener mit der Zeit deutsche Speisen schätzen lernten, beeinflussten die Italiener mit ihren Rezepten den Geschmack der deutschen Mitbewohner. Vor allem Spaghetti, Maccaroni und Lasagne waren bei den Deutschen beliebt.
Die Zeche Walsum in Duisburg verfolgte von Anfang an sehr gezielt die Strategie, Italiener dauerhaft an den Bergbau zu binden und sie in die Stammbelegschaft zu integrieren. Zu diesem Zwecke bemühte sich die Werksleitung vor allem um verheiratete Italiener. Die Familien sollten innerhalb kurzer Zeit nach Deutschland nachkommen und sich im Ruhrgebiet ansiedeln. Geplant war in Walsum ein eigenes Dorf für Italiener, einschließlich Kindergarten und Schule. Das Projekt wurde allerdings bereits Ende 1957 wieder eingestellt, weil man eine „Ghettoisierung“ der Italiener befürchtete. Stattdessen sollten die italienischen Familien in gemischten Wohnvierteln mit Deutschen leben, um so eine schnellere und dauerhafte Integration in Deutschland zu erreichen.

Häufig wurden Italiener jedoch noch mit Vorurteilen konfrontiert, wenn sie mit ihren Familien Wohnungen in deutscher Nachbarschaft beziehen wollten:

„[...] Doch die deutschen Kollegen, mit denen ich auf der Arbeit prima auskam, riefen, wenn wir Italiener einziehen wollten: ‚Italiener im Haus? Oh, Katastrophe! Die machen viele Kinder und noch mehr Krach!’ [...]“

Interview mit Giuseppe La Torre, Gelsenkirchen, 2005

Westfälisches Industriemuseum

Die Arbeit im Bergbau bedeutete für viele Italiener finanzielle Sicherheit, die sie nicht so schnell wieder aufgeben wollten. Viele holten nach ein oder zwei Jahren ihre Frauen und Kinder aus Italien ins Ruhrgebiet nach. Die meisten italienischen Frauen, die Ende der 1950er Jahre nach Deutschland kamen, waren verheiratet. In Süditalien galten strenge Sitten, es war nicht üblich, dass junge Frauen alleine ins Ausland gingen, um dort zu arbeiten. Ein solcher Schritt war nur gemeinsam mit dem Ehemann möglich. Die Italienerinnen fanden im Ruhrgebiet Arbeit in Fabriken in der Werkzeug- oder Elektroindustrie oder als Näherinnen in der Bekleidungsindustrie. Viele zogen es jedoch vor, wie in Italien die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter anzunehmen. Der Anteil an erwerbstätigen Italienerinnen war deutlich niedriger als bei den Griechinnen, Spanierinnen oder Türkinnen in Deutschland.

Der Nachzug der Familien setzte bei etlichen Italienern eine Entwicklung in Gang, mit der sie selbst nicht gerechnet hatten: Sie blieben dauerhaft in Deutschland. Viele waren gekommen, um für ein, zwei Jahre zu arbeiten und dann nach Italien zurück zu kehren. Einige stellen heute fest, dass ihnen die alte Heimat fremd geworden ist. Sie verstehen die dortige Mentalität nicht mehr und ihre Familien – Geschwister, Kinder, Enkelkinder – leben in Deutschland und nicht in Italien. Urlaub in Italien? Gerne. Aber für immer zurück? Das ist für viele der seit fast 50 Jahren in Deutschland lebenden Italiener tatsächlich undenkbar geworden.


Anke Asfur, Aachen 2005

Literatur zum Thema:
- Neapel – Bochum – Rimini. Arbeiten in Deutschland. Urlaub in Italien, hrsg. v. Anke Asfur und Dietmar Osses, Essen 2003
- Yvonne Rieker, Ein Stück Heimat findet man ja immer / Die italienische Einwanderung in die Bundesrepublik, Essen 2003