In den 1850er Jahren war das technologisch noch wenig entwickelte Ruhrgebiet auf die Einführung von Kenntnissen und Technologien aus anderen Regionen angewiesen. Im Bergbau wurden die Arbeiten unter Tage noch ausschließlich in beschwerlicher Handarbeit erledigt. Hier zeigten sich die eingewanderten italienischen Gesteinsarbeiter den einheimischen Kräften weit überlegen. So brachten Arbeiter aus dem Piemont spezielle Werkzeuge und Techniken für Gesteinshauer mit ins Revier. Die für die örtlichen Gesteinsformationen gut geeignete Methode des Schlagens von Bohrlöchern über Kopf wurde als wichtige Neuerung aufmerksam beobachtet und schließlich in den westfälischen Bergbau übernommen.
Als hoch qualifizierte Gesteinsarbeiter blieben die Italiener im Bergbau meist unter sich. Sie fuhren als geschlossene Gruppe, die so genannte Squadra, ins Bergwerk ein und übernahmen dort Spezialaufträge.

„[...] Auch wenn diese Italiener hochqualifiziert waren, so zeigen sich auch bei ihnen die für alle italienischen Arbeitswanderer typischen Charakteristika. Zum einen arbeiteten die Tunnelbauer – so wie die Bau- und Steinbrucharbeiter – in einer landsmannschaftlich geschlossenen Squadra. Im vom Aufsichtsbeamten aufgeführten Vertrag war sie kameradschaftlich organisiert und hatte einen Sprecher, der die Gruppe gegenüber der Zeche vertrat. [...]“

Adolf Wennemann: Arbeiten im Norden. Italiener im Rheinland und Westfalen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Osnabrück 1997, Seite 121-122.

Nach Erledigung der Aufgaben, beispielsweise der Herstellung eines Querschlags oder Förderstollens im Gestein, zogen die italienischen Gesteinshauer als Wanderarbeiter zur nächsten Zeche weiter. Im Gegensatz zu italienischen Saisonarbeitern im Baugewerbe waren die Gesteinshauer als Bergleute nicht von Jahreszeiten abhängig: unter Tage herrschten gleichbleibend hohe Temperaturen, Jahreszeiten spielten keine Rolle, das ganze Jahr lang war Saison. So verzichteten manche italienischen Bergleute in den Wintermonaten auf die traditionelle Heimkehr nach Italien.
Grubenunglück, Zeche Pluto
Die Arbeit in den Bergwerken unter Tage war hart und gefährlich. Verletzungen durch herabfallendes Gestein, Quetschungen und offene Wunden waren an der Tagesordnung. Trotz der Einführung von speziellen Sicherheitslampen kam es immer wieder zu Grubengasexplosionen mit zahlreichen Todesfällen. Nicht immer war es möglich, die Opfer zu identifizieren und Angehörige zu benachrichtigen:
„[...] Was meine Landsleute in Italien wissen sollten: stirbt ein italienischer Arbeiter, Maurer oder Bergmann infolge eines Arbeitsunfalls, so erhalten die Familienangehörigen des Verstorbenen keinerlei Nachricht, wenn sie ihren Wohnsitz nicht in Deutschland haben. [...]“

Giuseppe De-Botazzi: Italiani in Germania. Als Italiener im Deutschland der Jahrhundertwende, Turin 1895, ND Essen 1993, Seite 58

Streiks und Ausweisungen
Zur Jahrhundertwende war die soziale Lage im wilhelminischen Kaiserreich äußerst gespannt. Trotz steigender Gewinne der Zechen hatte sich die Lage der Bergleute seit den 1850er Jahren zunehmend verschlechtert. Im Mai 1899 steigerte sich der Ausstand einer Gruppe von Bergleuten wegen zu geringer Löhne zum Massenstreik, dem 90.000 Bergarbeiter folgten. Nach nur geringen Zugeständnissen der Unternehmer folgten 1905 und 1912 weitere Massenstreiks für mehr Lohn und die Begrenzung der Arbeitszeiten auf 8 ½ Stunden. Die Zechenbesitzer gaben zögerlich nach, spürten vermeintlichen Aufrührern jedoch hartnäckig nach und führten „schwarze Listen“ mit Verdächtigen.
Für Unternehmer und Behörden standen die ausländischen Bergarbeiter unter Generalverdacht, allen voran die polnischen Arbeiter. Dagegen galten bei vielen Bergleuten die italienischen Arbeiter als Streikbrecher, weil nur wenige von ihnen in Gewerkschaften organisiert waren und einige ungeachtet des Streiks weiter einfuhren. Aus Reihen der Italiener wiederum erhoben sich Forderungen, sich von etwaigen Streikbrechern deutlich zu distanzieren, um den guten Ruf der Italiener in Deutschland nicht aufs Spiel zu setzen.
Sprachregelungen

Nach der Bergpolizeiordnung von 1899 mussten fremdsprachige Arbeiter nachweisen, dass sie Deutsch in Grundzügen verstehen und sprechen konnten. Offiziell sollte dies der Sicherheit der Bergleute dienen: sie sollten Anweisungen verstehen und sich im Falle von Gefahren auch verständigen können. Tatsächlich richtete sich die Verordnung vor allem gegen polnischsprachige Arbeiter, die von der preußischen Obrigkeit stets der Aufrührerei verdächtigt wurden. Manche Zechenleitungen legten die neue Regel zunächst großzügig aus, um bewährte Bergleute zu halten. Neue Ausländer ohne ausreichende Sprachkenntnisse wurden jedoch abgewiesen.

Durch die Sprachverordnung wurde der Bergbau im Ruhrgebiet für viele Italiener unattraktiv. Gut ausgebildete Facharbeiter verfügten in der Regel auch über einige Deutschkenntnisse und konnten bleiben. Die ungelernten Arbeiter ohne Deutschkenntnisse wanderten jedoch entweder in andere Bergbaureviere aus, die keine strengen Sprachregelungen hatten. Oder sie suchten sich Arbeitsmöglichkeiten in Steinbrüchen oder auf Baustellen. So ging der Anteil der Italiener an der ausländischen Belegschaft im Ruhrbergbau zurück: Machten die 738 registrierten Italiener im Jahr 1899 noch 16,7 % aller Ausländer im Ruhrbergbau aus, so sank ihr Anteil mit 2.368 Bergleuten im Jahr auf 8,2 %. An ihre Stellte traten nun ungeachtet der Sprachverordnung polnische Bergleute aus den Ostprovinzen. Ihr Anteil an der Gesamtbelegschaft der Bergleute im Ruhrgebiet stieg bis 1910 mit knapp 130.000 Bergarbeitern auf 36,7 %.

Dietmar Osses, Bochum 2005


Literatur zum Thema:
- Susanne Peters-Schildgen: „Schmelztiegel“ Ruhrgebiet. Die Geschichte der Zuwanderung am Beispiel Herne bis 1945. Essen 1997
- Luciano Trincia: Migration und Diaspora. Katholische Kirche und italienische Arbeitswanderung nach Deutschland und in die Schweiz vor dem Ersten Weltkrieg. Freiburg 1998
- Adolf Wennemann: Arbeiten im Norden. Italiener im Rheinland und Westfalen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Osnabrück 1997